berliner abendblätter 2.00 am 24.12.

24.12.
+
„Es kommt nicht so sehr darauf an, ob die Erwachsenen als glückliche Familie leben wollen.“
Kauders Welsch im FR-Interview
„Volker Kauder, 61, ist seit November 2005 Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Abgeordneter im Parlament ist der studierte Jurist seit 1990.
Sich selbst bezeichnet Kauder als einen „eher Konservativen“. Er betont immer wieder, dass sich die Union vom „christlichen Menschenbild“ leiten lasse.“ FR
Laut wikipedia wurde „Volker Kauder als Jugendlicher in der Evangelischen Landeskirche in Baden konfirmiert, sympathisiert heute aber mit der evangelikalen Bewegung und der liturgischen Ausrichtung der katholischen Kirche“. Sein Herz ist dabei groß genug, um gleichzeitig für eine bestimmte Firma in seinem Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen einstehen zu können: „Volker Kauder steht in der Kritik, Waffenexporte der Firma Heckler & Koch zu unterstützen und bei der Abwicklung von Aufträgen zu helfen. Die Wochenzeitung Die Zeit nennt Kauder einen „gewichtigen Fürsprecher“ des in seinem Wahlkreis ansässigen Waffenherstellers. Ein Zusammenhang zwischen hohen Spenden der Firma an die CDU und einem Einsatz von Kauder für Heckler & Koch wird aber seitens der Firma verneint.“ (wiki)
FR: Herr Kauder, die Unionsfraktion hatte neulich eine Weihnachtsfeier, die nicht so genannt werden durfte.
V.K.: Sie meinen unsere vorweihnachtliche Feier.
FR: Warum diese feine Unterscheidung?
V.K.: Weihnachten beginnt mit Heiligabend. Alles was davor liegt, ist vorweihnachtlich.
FR: Schärft die Union so ihr C-Profil?
V.K.: Erst einmal schärfen wir unsere sprachliche Präzision. Wir hatten übrigens auch schon eine Diskussion darüber, welche Lieder bei einer solchen Feier gesungen werden können. Katrin Göring-Eckardt von den Grünen hat uns darauf hingewiesen, dass „O du fröhliche“ ein klassisches Weihnachtslied ist. Das stimmt. Deswegen haben wir dieses Jahr „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ gesungen. Und dann hat noch Chris de Burgh für uns gesungen. Unentgeltlich, übrigens.
FR: Chris de Burgh in der Unionsfraktion. Stephanie zu Guttenberg und Kerner in Afghanistan. Die Union hat etwas übrig für Inszenierung.
V.K.: Ich finde es völlig in Ordnung, dass der Verteidigungsminister seine Frau nach Afghanistan mitgenommen hat. Sie interessiert sich dafür. Und für die Soldaten war es ein besonderes Zeichen. Journalisten begleiten unsere Minister ohnehin immer.
FR: Nehmen Sie künftig Ihre Frau mit zu Koalitionsrunden, wenn sie sich dafür interessiert?
V.K.: Nein. Aber bei Veranstaltungen im Wahlkreis wird schon zur Kenntnis genommen, wenn der Ehepartner dabei ist. Unglaublich niveaulos war die Einlassung von SPD-Chef Sigmar Gabriel, der die Frau des Ministers auf eine Stufe mit Frau Katzenberger gestellt hat. Wie tief muss man noch sinken?
FR: Macht Sie der FDP-Streit um Westerwelle auch sprachlos?
V.K.: Ich würde raten: Bleibt geschlossen. Das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um beim Wähler akzeptiert zu werden.
FR: Reden wir über die Union. Die Forderung nach einem Verbot der Präimplantationsdiagnostik, der Gendiagnose bei künstlichen Befruchtungen, sollte die CDU ihrer selbst sicherer machen. Der Parteitag zeigte: Befürworter und Gegner halten sich die Waage. Waren Sie überrascht?
V.K.: Das hatte ich erwartet. Auch in der evangelischen Kirche gibt es noch keine endgültige Festlegung. Warum sollte das in unserer Partei anders sein?
FR: Es ist also doch kein Thema, mit dem man das christliche Profil der CDU schärfen kann?
V.K.: Alle in der CDU messen dem Lebensschutz, wie es das christliche Menschenbild nahelegt, einen hohen Stellenwert zu. Aber auf dieser Basis können Christen in solchen Fragen dennoch zu unterschiedlichen Auffassungen kommen. Ich habe eine klare Position: Ich halte die PID mit dem Schutz des Lebens für nicht vereinbar.
FR: Muss man dann nicht auch die Pränataldiagnostik, also die Gendiagnose bei Embryos, verbieten?
V.K.: Da gibt es qualitative Unterschiede. Die PID öffnet die Tür für die Versuchung zur Selektion und Manipulation von Leben. Meine Erfahrung ist, dass alles, was möglich ist, gemacht wird. Dass es also nicht bei der Feststellung von Erbkrankheiten bleibt. Was ist denn, wenn eine Frau sagt, sie hätte nach drei Söhnen doch gerne eine Tochter?
FR: Bei einem PID-Verbot werden die Betroffenen ins Ausland gedrängt.
V.K.: Das ist kein Argument, das zieht. Wir haben für unsere Position einzutreten. Ich mache mir schon Sorgen, wie heute über Leben verfügt wird. Außerdem gibt es keinen Anspruch auf ein Kind. Das muss akzeptiert werden, auch wenn dies für die Betroffenen sehr schwer ist.
FR: Wir dachten, die Union wäre so sehr für die glückliche Familie?
V.K.: Stimmt. Aber zuerst muss die Frage nach dem Kindeswohl gestellt werden. Es kommt nicht so sehr darauf an, ob die Erwachsenen als glückliche Familie leben wollen. Ich glaube nicht, dass sich Kinder wünschen, in einer homosexuellen Partnerschaft aufzuwachsen.
FR: Noch ein emotionales Thema: Stuttgart 21. Sie haben gesagt, Gewinner ist die Demokratie. Was heißt das?
V.K.: Das bedeutet, dass demokratische Entscheidungen, die durch Gerichte bestätigt wurden, jetzt umgesetzt werden. Wir haben aber auch gelernt, dass Politik und Bauherren Projekte nicht nur beschließen, sondern auch bis zur Fertigstellung immer wieder erklären müssen. Es muss neue Formen der Rückkoppelung geben.
FR: Bedeutet es auch, dass Sie für Volksentscheide sind?
V.K.: Nein. Gerade komplexe Sachverhalte eignen sich nicht für Bürgerentscheide. Schauen Sie sich die Schweiz an: Da gibt es Entscheide über den Rausschmiss von Asylbewerbern. Das kann man doch Deutschland gar nicht wünschen. Im Übrigen haben wir Mitentscheidungsmöglichkeiten auf Kommunal- und Landesebene.
FR: Sollte man nicht zu Themen wie der Standortsuche für ein Atommüll-Endlager die Bürger befragen?
V.K.: Wen soll man da entscheiden lassen? Bei nationalen Aufgaben könnte man aber auch nicht nur die unmittelbar Betroffenen befragen.
FR: Wenn wir schon über Demokratie reden: Können Sie begründen, warum künftig alle Bürgerinitiativen ihre Extremismusferne belegen müssen?
V.K.: Von allen Bürgerinitiativen kann kaum die Rede sein. Die Familienministerin fordert eine belegbare Distanzierung nach meinen Informationen nur, wenn Gruppen Geld aus einem Anti-Extremismus-Programm in Anspruch nehmen.
FR: Befürchten Sie nicht, dass bürgerschaftliches Engagement behindert wird, wenn die betroffenen Gruppen unter einen Generalverdacht gestellt werden?
V.K.: Rechtsextremismus darf nicht durch Linksextremismus bekämpft werden. Extremismus sollte generell keine Chance haben.
Interview: Katja Tichomirowa und Daniela Vates
Wir veröffentlichen an dieser Stelle Leser-Kommentare, die der Netiquette entsprechen: sachlich, höflich, zum Thema. Mit dem Absenden eines Kommentars erklären Sie sich mit unseren Nutzungsbedingungen einverstanden.
20.12.2010
10:15 Uhr
Johanna sagt:
Die Überschrift hat was! Sicher werden Homosexuelle einwenden, dass die Kinder in kaputten Beziehungen auch nicht gefragt werden, ebenso wie Kinder, deren Mütter von vornherein alleinerziehend sind. Dennoch gehört schon eine Portion Egoismus dazu, es in einer homosexuellen Beziehung auf ein eigenes Kind anzulegen. Für Adoption sieht es meines Erachtens anders aus, denn da kann es für das Kind meist nur besser werden und die Adoptionshürden sind insgesamt viel zu hoch. Der Streit um die pränatalle Selektion hat auch etwas sehr Doppelbödiges: Einerseits werden mit allen Mitteln Kinder gezeugt, die normalerweise aus den verschiedensten Gründen gar nicht zur Welt kämen, – und das bedeutet ja eben, dass eine vom Menschen nicht kontrollierte naturgegebene Selektion ausfällt – , andererseits … mehr
Die Überschrift hat was! Sicher werden Homosexuelle einwenden, dass die Kinder in kaputten Beziehungen auch nicht gefragt werden, ebenso wie Kinder, deren Mütter von vornherein alleinerziehend sind. Dennoch gehört schon eine Portion Egoismus dazu, es in einer homosexuellen Beziehung auf ein eigenes Kind anzulegen. Für Adoption sieht es meines Erachtens anders aus, denn da kann es für das Kind meist nur besser werden und die Adoptionshürden sind insgesamt viel zu hoch. Der Streit um die pränatalle Selektion hat auch etwas sehr Doppelbödiges: Einerseits werden mit allen Mitteln Kinder gezeugt, die normalerweise aus den verschiedensten Gründen gar nicht zur Welt kämen, – und das bedeutet ja eben, dass eine vom Menschen nicht kontrollierte naturgegebene Selektion ausfällt – , andererseits muss aber das künstlich auf den Weg gebrachte Leben dann unter allen Umständen erhalten werden. Ein „Lebensrecht“ für ein vielfach behindertes Menschlein zu fordern, das normalerweise gar nicht antreten würde, hat bei näherem Hinsehen etwas sehr Lebensfeindliches. Die „christlichen“ Menschen, die solche Forderungen stellen, müssen ja selbst nicht ein solches Leben führen. Dem vielfach und qualvoll Behinderten wird nicht das Lebensrecht abgesprochen, indem man ihn nicht mit dem technisch Machbaren zum Leben zwingt, sondern von den „Lebenserhaltern“ umgekehrt wird ihm das Recht, ein solches Leben nicht durchstehen zu müssen, genommen. Er wird gar nicht gefragt, ob er (so) leben will, und damit wird ein Naturrecht außer Kraft gesetzt!
20.12.2010
10:18 Uhr
tamino sagt:
Nur auf zwei Punkte von Kauders Glaubenskatalog möchte ich kurz eingehen. Die Frage wie tief man noch sinken könne, stellt er an die falsche Adresse; die Richtige wäre nämlich die Guttenbergsche. Der Zweck scheint hier jedes Mittel zu heiligen. Und dann das immer wieder bemühte Kindswohl. Ich vermute, dass Kinder vor allem sich dort geborgen fühlen, wo sie die notwendige Zuwendung spüren.
20.12.2010
10:26 Uhr
Ein Nichtwähler sagt:
Wenn Kauder für glückliche Familien plädiert, sollte seine Partei auch was für Familien tun. Wie wär es denn mit mehr Netto vom Brutto Herr Kauder. Von leeren Versprechungen werden Kinder nicht glücklicher. Und das mit den Kindern in Homosexuellen Ehen können Sie sich sparen. Das sollten Sie besser Experten überlassen, wenn es da überhaupt was zu monieren gibt. Schärfen sie besser das christliche Profil der CDU und betreiben sie nicht so unheimlich viel Lobbyimus, denn sonst könnte man noch auf die Idee kommen das C vor ihrer Partei stände für „corrupted“.
20.12.2010
10:26 Uhr
Karl-Heinz Gaab sagt:
Leute wie Kauder sollten sich einen eigenen Staat suchen. Wie wäre es mit Weißrussland?
20.12.2010
10:37 Uhr
Paul R. Woods sagt:
Meine Frau ist in der Nachbetreuung eines Frauenhauses tätig. Unter ihren Klienten war noch nie eine Frau aus einer lesbischen Beziehung, sonden alle kamen aus heterosexuellen Partnerschaften. Und nächste Woche, nach dem Fest der Hiebe, werden wieder Frauen und Kinder vermehrt um Hilfe fragen.
+
Berliner Polizeibericht
Postzusteller mit Fahrrad gestürzt
Charlottenburg-Wilmersdorf, 23.12.

Ein Postzusteller erlitt heute Morgen in Charlottenburg bei einem Sturz mit dem Fahrrad schwere Kopfverletzungen. Gegen 7 Uhr 45 fuhr der 24-Jährige auf dem Gehweg der Bismarckstraße. Bisherigen Ermittlungen zufolge verlor der Mann aufgrund der Glätte die Kontrolle über sein Rad und stürzte. Hierbei verletzte er sich am Kopf und kam zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus.
+
Letztes Wort
+
„Ça mon âme, il faut partir.“ („Nun, meine Seele, heißt es Abschied nehmen.“)
René Descartes, französischer Philosoph, 1650