12.12.
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Presseclub: Wer zahlt die Zeche?
Die Wettbewerbsfähigkeit der Länder ist die Hauptleistung des Euro. Ist ein Ausstieg aus dem Euro überhaupt möglich? Ein Protokoll
Rolf-Dieter Krause, WDR-Büroleiter in Brüssel, auf die Frage: was ist schlimmer heute als vor ein zwei Jahren? Dass die Politik der Krise nicht gewachsen ist. Auch eine Frau Merkel nicht. Bei Stoltenberg und Pöhl hatte man sich getroffen, alles auf den Tisch gelegt, geeinigt: Worte genügten. Jetzt beunruhigt die Politik die Gesellschaft.
Joachim Starbatty, emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Tübingen: der deutsche Euro müsste aufgewertet werden, das Valuta-dumping gestoppt werden, denn: wir verkaufen keine Bananen, sondern Qualität wie sonst nur noch die Japaner in der Welt. Valuta-dumping hilft den Bürgern eines Landes nicht. Griechenland und Irland bleiben in der Schuldenfalle, wenn ihre Wirtschaft nicht mehr wächst. Aus Bürgschaften werden Verpflichtungen und dann steigen Bürgenländer aus.
Cerstin Gammelin, Zeit-Radaktion Berlin: Der Euro hat nicht nur einen Preis, sondern auch einen Wert und zwar für Frieden und Beständigkeit.
Kerstin Herrmann, taz: 182 Milliarden Euro garantiert Deutschland. Bis jetzt ist qua Zinsen die Krise ein gutes Geschäft. Die Kapitalanleger strecken international vor, die Bürgen beobachten. Bleibt es an Banken oder an den Steuerzahlern hängen? An Letzteren. Denn: Kann eine Bank pleiter als pleite sein? Die Krise, sie frisst sich durch die Wirtschaft. Austarieren wird notwendig. Steuerzahler, Banken und Lebensversicherer werden alle zahlen.
Starbatty: beim hair-cut zahlen Banken 2 oder 3 Prozent. Differenz zwischen Nominal- und tatsächlichem Wert bleibt bei Steuerzahler hängen.
Die Frage des Moderators Schönenborn nach einer Aufschwung-Euro-Abgabe wird von den Journalisten belacht.
Krause moniert verantwortliche Systeme, zum Beispiel eine gemeinsame Geldaufnahme der Euroländer. Die Frage muss sein: Nicht ob, sonder wie muss diskutiert werden? Jedenfalls nicht im Zeitungskrieg zwischen französischen und deutschen Gazetten.
Wollen wir einen Lastenausgleich in Euroland?
Herrmann: ein Transfer ist der billigste Ausweg.
Gammelin: eine abgesprochen Wirtschafts- und Finanzpolitik, z.B. Lohnpolitik, tut not.
War der Lastenausgleich allen Beteiligten bewusst?
Starbatty: Transferzahlungen sind so unwahrscheinlich wie eine Hungersnot in Bayern, hatte Junker gesagt.
Transfers werden erforderlich durch Nichtübereinstimmung der Wechselkurse.
Es wird eine dynamische Auseinanderentwicklung werden. Die Griechen kriegen am Ende einen Transfer für ihren Schuldendienst und nicht für den Grund unter ihren Füßen. Mit geliehenem Geld muss investiert werden, kann kein Schuldenabbau geleistet werden.
Gammelin: ja und die Löhne müssen sinken.
Herrmann: Hilfen müssen an Auflagen geknüpft werden, zum Beispiel Steuererhöhungen.
Euro-Anleihen würden 17 Milliarden Euro im Jahr kosten.
Herrmann: Euro wird Leitwährung in der Welt.
Krause: fragt, ob es denn bei den überschaubaren 17 Milliarden bliebe?
Kommt Griechenland ohne Euro schneller aus der Krise?
Niemand hat es ausgerechnet. Wir leben auf dem Globus. Der Euro macht Europa wehrhaft. Die Märkte auch. Wenn die verloren gehen, wird´s teurer durch Arbeitslosigkeit etc..
Vox populi: Euro bedeutete 30-prozentige Abwertung.
Gammelin: In Jahren der Währungsunion war Inflation niedrig. Deutschland exportiert nach – Europa.
Der höchste Beitrag, den Deutschland leistet, zahlt sich deshalb aus!
Starbatty: DM wäre wie der SFR aufgewertet worden, die Renten wären gerettet.
Euro-Bons heißt: schwache und starke Staaten legen Anleihen auf, starke zahlen. Es ist eine Moral hazard („wörtlich „sittliche Gefährdung“, auch als Subjektives Risiko, moralische Versuchung oder moralisches Risiko bezeichnet) beschreibt das Problem einer Verhaltensänderung durch eine Versicherung gegen ein Risiko. Ursprünglich ein Begriff aus der Versicherungswissenschaft, wird er heute auch allgemein ökonomisch verwendet“, wikipedia) Situation: Starke werden ausgenutzt.
Ende der Woche ist EU-Regierungsgipfel, was ist zu erwarten?
Krause: die Art wie diskutiert wird, ist auf erschütternde Weise der Sache ungerecht.
Herrmann erwartet nichts. Es geht am Donnerstag um einen Mechanismus ab 2013, um nichts Kurzfristiges.
Starbatty: lauter Dilettanten am Tisch. Von Rompuy ist Alarmist, nichts wird jedoch auseinanderfallen.
Gammelin setzt die Aufgabe auf die Agenda der Verantwortlichen: wie können die Länder wieder zusammengeführt werden?
Vox populi: Europagedanke ist nicht visionär sondern kleinteiligen Interessen unterworfen.
Die Parole müsste lauten: Den Armen weniger stehlen!
Krause: Politik hat Kompass verloren. Sie (Merkel) hat Private beteiligt „Im Interesse der Steuerzahler“.
V:p.: DDR-Mark zu DM-Umstellung war schon falsch. Wiedereinführung tut not.
57 % der Deutschen sagen, es war falsch, 35 % wollen DM zurück.
Starbatty macht aufmerksam: Die Wechselkurse sind wichtig, nicht die Verrechnungseinheit! Ein Plan B liegt bestimmt in Schubladen der Banken.
V. p.: das Geld hat ein anderer, wer?
Keine einheitliche Antwort.
V.p.: wäre die Euro-Abschaffung ein neues 1990 für ganz Deutschland?
Herrmann rechnet mit einer 20-prozentigen Aufwertung. Viele Betriebe wären auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig.
V.p.: der Euro geht an den Deutschen kaputt, weil sie das Vertrauen in ihn verlieren.
Starbatty: Euro ist fiat-Geld, lebt vom Vertrauen in die EZB. Seitdem Staatsanleihen gekauft werden, ist Gold interessant geworden. Eine Metapher: Ein Bergsteiger kann einen Jungen auf den Rücken nehmen, aber keinen Mann, dann bricht er zusammen.
Gammelin klagt Haushaltsabsprachen und Strafen für Regelverstöße ein.
V.p.: Der Unterschied zwischen den Kriesen in Griechenland und Irland sei zu wenig thematisiert worden.
Krause: Kapitalismus kann nur funktionieren, wenn er ganz funktioniert, die Risiken nicht in das falsche Eck geschoben werden. In Irland hätten Banken pleite gehen müssen.
V.p.: Kommt ein Weltwirtschaftsbrandkrieg?
Schönenborn, 46, beschwichtigt: Länder haben offene Grenzen, Frankreich ist ausgesöhnt, Krieg ist nicht in Sicht. (Ein Fall von Optimismus wegen niedrigen Lebenserfahrungsstandards).
Starbatty korrigiert die Zuversicht Schönenborns: Wirtschaftskriege sind möglich, aber nicht militärische.
V.p.: Eurobons verschaffen doch Durchgriff in die Steuerpolitik der anderen Länder.
Starbatty: Länder sollen souverän bleiben. Sonst geht das friedliche Europa weg.
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„Mit Vollgas aus der Krise – Kommt jetzt das zweite Wirtschaftswunder?“
Forum Wirtschaft moderiert von Michael Krons
Kurzarbeit setzt ein Zeichen für die Zuversicht, es werde wieder einen Aufschwung geben. Gesamtmetall-Chef Martin Kannegießer hält das traditionelle Mittel der deutschen Arbeitsmarktpolitik für probat. „Wir fühlen uns in der Welt zu Hause und sind in der Welt zu Hause.“ Risiken sind für unser relativ kleines Land handlebar.
Ulrich Schreiber vom Paritätischen Gesamtverband erinnert an Langzeitarbeitslose. Bei Alg I ist Rotation drin, bei Alg II bewegt sich kaum etwas. Arbeitsentgelte müssen steigen. Die Krise ist wirtschaftlich und gesamtpolitisch: wie wird mit der Krise umgegangen? Die Wahlen 2009 haben ein Legitimationsproblem offengelegt. SPD erhält 16% und die Union 23 % Zustimmung unter Wahlberechtigten.
Prof. Klaus F. Zimmermann (Präsident Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung), ist für Partizipation von vor allem Frauen und älteren Arbeitnehmer.
Kannegießer will Leistungsbewusstsein als Sozialqualifizierung stärken und so die Langzeitarbeitslosen in Arbeit bringen. Die einfache Arbeit geht aber aus. Der Zustand der Familien muss gefördert werden. Niemand darf überfordert werden.
Schreiber nennt Beispiele. Es gibt assistierte Ausbildungen und Unterstützung von Alleinerziehenden, die einen Betreuungsplatz brauchen. Für 215 Euro kann man kein Kind über den Monat bekommen. Jetzt sind der Adventskranz, Weihnachtsbaum, chemische Reinigung und Hundefutter gestrichen. Der Alg II-Empfänger muss nicht betteln, aber sein Hund! Es gibt keine armen Kinder, es gibt immer nur arme Familien.
Zimmermann findet das Existenzminimum im Grundgesetz garantiert. Immer mehr des Gesamtetats des Staates wird für Sozialmaßnahmen ausgegeben. Erziehung und Forschung leiden. In der frühkindlichen Entwicklung muss etwas fruchtbar getan werden.
Kannegießer mahnt: der Lohnabstand muss gewahrt werden.
Qualifizierungsmaßnahmen in Betrieben finden statt, setzten aber zu spät ein. Die Schulabgänger müssen fitter sein, Patenschaften von Schulen und Betrieben ausgeweitet weden.
Schreiber: durchschnittliche Verweildauer im Pflegeheim währt ein halbes Jahr!
Geld würdevoll zukommen lassen, nicht bloß alimentieren. Stammpersonal finanzieren.
Kannegießer: Cluster („nach eigenen Angaben ein Netzwerk von führenden europäischen Technischen Universitäten, deren elementare Aufgaben in hochentwickelter Forschung und (Aus-)Bildung von Ingenieuren, Wissenschaftlern und Architekten besteht“, wikipedia) erhalten, Stärken stärken.
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Letztes Wort
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„This unworthy right hand… Lord Iesus receaue my spirite.“ („Diese unwürdige rechte Hand… Herr Jesus empfange meinen Geist.“) [auf dem Scheiterhaufen hält er seine rechte Hand zuerst in die Flammen, zuvor hat er mit dieser Hand einen Widerruf unterzeichnet]
Thomas Cranmer, englischer Erzbischof, 1556 Opfer de Rekatholisierungsversuchs von „bloody Mary“.
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