berliner abendblätter 2.00 am 16.1.

16.1.
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Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. Über Uraula Sarrazin, Banker-Gattin und Grundschullehrerin, darf die Vermutung verhängt werden, sie habe als ghost writer am jüngsten Buch ihres Mannes Thilo aktive Geburtshilfe geleistet. Zum Gegenstand des öffentlichen Interesses wird zunehmend die Art ihrer Berufsausübung.
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Druck auf Schüler
Frau Sarrazin jetzt ein Fall für die Schulaufsicht
Offenbar hat sich die Situation an der Reinhold-Otto-Grundschule in Westend um Ursula Sarrazin, die Frau des SPD-Politikers und ehemaligen Berliner Finanzsenators, zugespitzt. Der Fall schlägt nun bundesweit Wellen.
Während ein Teil der Elternschaft die Versetzung von Frau Sarrazin fordert und ihr Verhalten gegenüber den Schülern als zu streng und ausfallend kritisiert, verteidigen andere Eltern ihren Unterrichtsstil. Lehrer müssten Autorität haben und leistungsorientiert sein, fordern sie. Diese Eltern werfen dem Vorsitzenden des Landeselternausschusses Günter Peiritsch vor, sein Amt missbraucht zu haben. Peiritsch hatte sich öffentlich gegen Frau Sarrazin ausgesprochen und die Lehrer und Eltern unterstützt, die ihre Versetzung fordern.
Elternsprecher Günter Peiritsch war bis zum Sommer 2010 auch Elternvertreter an der Reinhold-Otto-Schule. Er kritisierte jetzt, dass Beschwerden von Eltern gegen die Lehrerin Ursula Sarrazin seit Jahren im Sande verlaufen, weil die Schulverwaltung sich ganz offensichtlich nicht mit den Sarrazins anlegen will. Deshalb habe er sich der Sache jetzt angenommen, so Peiritsch. „Es geht um unsere Kinder“, sagte er. Ursula Sarrazin hat ihm unterdessen brieflich eine Klage wegen übler Nachrede angedroht (wir berichteten).
In der Bildungsverwaltung heißt es, dass es zu Personalangelegenheiten keine Stellungnahmen gibt. Man nehme aber jede Beschwerde ernst, so Beate Stoffers, Sprecherin von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD). Der Oberschulrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Günther Kuhring, sagte am Dienstag: „Wir gehen allen Beschwerden dieser Art unerbittlich nach – egal ob die Betroffenen Sarrazin, Schulze, Müller, Koslowski oder Özdemir heißen.“ Möglichst suche man eine Lösung im Gespräch, erst im Extremfall greife die Behörde zu dienstrechtlichen Konsequenzen, so Kuhring. Die Aufklärung sei schwierig. Zum konkreten Fall Sarrazin äußere er sich aber grundsätzlich nicht öffentlich. „Keiner von uns verurteilt Autorität oder Strenge per se“, sagte der Oberschulrat. Respektloses und herabwürdigendes Verhalten würde aber unerbittlich verfolgt werden.
In der Vergangenheit gab es bereits öfter Auseinandersetzungen um die Grundschullehrerin Sarrazin. Elternsprecher Peiritsch berichtete davon, dass Kinder von ihr als faul und unintelligent bezeichnet worden seine und nach dem Unterricht weinend zum Schulleiter gekommen seien. Bereits 2008 hatte die Mutter einer Schülerin der Reinhold-Otto-Grundschule Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Frau Sarrazin gestellt, weil diese ihre Tochter eigenmächtig ohne Beschluss der Klassenkonferenz von der dritten in die zweite Klasse zurückgestuft haben soll. Das als hochbegabt getestete Kind hatte zuvor die zweite Klasse übersprungen.
Ursula Sarrazin weist sämtliche Vorwürfe indes kategorisch zurück. Es sei klar, dass sie auch Neid und Missgunst errege, sagte sie. Und spielte dabei unter anderem auf den Bucherfolg ihres Mannes an, der mit „Deutschland schafft sich ab“ kürzlich bundesweit für heftige Debatten sorgte. Thilo Sarrazin bezeichnete es dann auch als Mobbing und Sippenhaft, was seiner Frau gegenwärtig im Berliner Schulbetrieb widerfahre.
Ursula Sarrazin betonte, dass viele Eltern und Kollegen ihre Arbeit zu schätzen wüssten. Sie werde deshalb an der Reinhold-Otto-Schule bleiben. „Bei mir haben sich die Eltern nicht beschwert“, sagte sie. Einige seien allerdings gleich zum Schulrat gegangen, räumte sie ein. Das sei aber der falsche Weg. „Richtig wäre es, wenn die Eltern sich zuerst an mich wenden, damit ich weiß, was ich falsch gemacht haben soll.“
Ursula Sarrazin sagte, dass sie stets versuche, konsequent zu sein. „Es geht darum, die nötige Arbeitsatmosphäre für alle Schüler zu schaffen. Nur dann ist Lernen möglich.“ Wenn einige Schüler den Unterricht massiv störten, dann unterbinde sie dies. Jeder ihrer Schüler habe schließlich ein Recht auf eine positive Lernatmosphäre. Es sei ihre Aufgabe, dafür zu sorgen.
Eine Mutter, die bis vor kurzem Elternvertreterin an der Reinhold-Otto-Schule war (Name ist der Red. bekannt), sagte, dass es seit Jahren Beschwerden von Eltern gegen Frau Sarrazin gebe. Dabei gehe es vor allem um den Vorwurf, dass sie die Schüler unter Druck setze.
Auch der Frieden im Kollegium sei durch das Verhalten dieser Lehrerin erheblich gestört. Die Schule könne sich nicht mehr um die inhaltliche Arbeit kümmern, weil es ständig um Auseinandersetzungen mit Ursula Sarrazin gehe. Etliche Kollegen hätten bereits die Schule verlassen, weil sie die schlechte Atmosphäre nicht mehr ausgehalten hätten. Zudem würden sich viele Eltern nicht trauen, etwas zu sagen, weil sie um die Zukunft ihrer Kinder fürchteten. Bislang seien sämtliche Probleme ohnehin ausgesessen worden, weil es keine Handhabe gegen Frau Sarrazin gegeben habe. Die Mutter forderte die Senatsbildungsverwaltung auf, so schnell wie möglich wieder für Ruhe an der Schule zu sorgen.
Von Regina Köhler und Florentine Anders

Erschienen in der Berliner Morgenpost am 12.1.
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tsp: „Und was ist mit dem „armseligen Opfer“?
Ursula Sarrazin: Das habe ich gesagt. Allerdings muss man dazu den Zusammenhang kennen.
tsp: Und der wäre?
Ursula Sarrazin: Nun, ein Junge, der völlig außer Rand und Band geraten war, auf keine Ermahnung meinerseits hörte, wurde schließlich von einem Mitschüler geschlagen. Er kam weinend zu mir und beklagte sich. Ich sagte zu ihm: „Nun bist du auf einmal das armselige Opfer.“ Ich habe das Wort Opfer so gebraucht, wie es in unserer Sprache üblich ist, wenn jemandem Gewalt angetan wird. Ich war zu diesem Zeitpunkt gar nicht auf die Idee gekommen, missverstanden zu werden. Die Eltern haben sich dann gleich ans Schulamt gewendet.
Tsp: Es warn die Eltern eines türkischstämmigen Jungen.
Ursula Sarrazin: Ja. Vielleicht wissen diese Eltern nicht, dass das Wort Opfer in unserer Sprache gar nicht negativ gemeint sein muss. Vielleicht wissen sie nicht, was Opfer bedeutet.
Aus einem Interview, veröffentlicht im Tagesspiegel vom 14.1.
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„Und da kannst du jetzt noch so sehr irgendwo herumirren in so etwas wie Leben. Da können wir irren, wie wir wollen. Das ist es: Unsere Körper, die wir auch dulden würden, wenn sie das nicht mehr tun – leben.“
Margit Carstensen am Ende des Abends zu Martin Wuttke in „Schmeiß dein Ego weg“, das diese Woche in der Volksbühne Premiere hatte.
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Letztes Wort
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„Wonderful! Wonderful this death!“ („Wunderbar! Wunderbar dieser Tod!“)
William Etty, englischer Maler, 1849