Dr. Burkhart Veigel: Vor 50 Jahren, am 27. März 1962, starb Heinz Jercha im Haus Heidelberger Straße 35 an der Grenze zwischen Neukölln und Treptow, nachdem er von der Stasi in eine Falle gelockt und hinterrücks angeschossen worden war. Er konnte noch durch den von ihm mitgegrabenen Tunnel in den Westen flüchten, verblutete da aber. Wir, die Berliner Unterwelten e.V., wollen am 27. März 2012 eine Gedenktafel, die an Heinz Jercha erinnert, mit einer kleinen Feier an dem Haus enthüllen.
Wir treffen uns am 27. März 2012 um 11 Uhr vor dem Haus Heidelberger Straße 35 in 12059 Berlin.
Nach der kleinen Feier sind alle herzlich in den Keller der Nr. 35 eingeladen. Dort werde ich einige Neuigkeiten zu den Berliner Fluchttunneln erzählen und Ihnen/Euch einen Tunneleingang zeigen können, der jetzt bald 50 Jahre unberührt „geschlummert“ hat. Auch die Geschichte dieses Tunnels werden Sie/werdet Ihr dort hören.
„Wege durch die Mauer“
Mein neues, großes Buch „Wege durch die Mauer – Fluchthilfe und Stasi zwischen Ost und West“ beschreibt die private und organisierte Fluchthilfe bis 1970, Fluchten mit Ausweisen und Pässen, durch die Kanalisation, mit umgebauten Autos, mit Hilfe von Alliierten und Diplomaten sowie durch Tunnel. Außerdem werden die Verbrechen von drei Spitzeln minutiös aufgezeichnet. Die menschenverachtende Arbeit der Stasi und ihrer Helfer kann ich so bis ins Detail offenlegen. Daneben untersuche ich den Tod der beiden Fluchthelfer Dieter Wohlfahrt und Heinz Jercha und benenne zum ersten Mal die Mordschützen.
Das Buch regt aber auch dazu an, über einige Fragen zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur neu nachzudenken: War die Bundesrepublik überhaupt in der Lage, den Unrechtsstaat aufzuarbeiten? Sollte man an Stelle der juristischen Aufarbeitung, die offensichtlich in weiten Teilen misslungen ist, eine moralische Aufarbeitung fordern und fördern? Könnte man in diesem Sinn nicht dahin kommen, dass die Kinder und die Klassenkameraden die Täter fragen: Was hast Du getan? Warum hast Du das getan? Und was hast Du getan, um Dein Unrecht wieder gut zu machen? Aber auch: War die DDR friedliebend, antifaschistisch, antiimperialistisch oder überhaupt das bessere Deutschland? Und war Marx eher ein unrealistischer Träumer als der Begründer einer Staatsreligion? Oder: War Manfred Stolpe für das Beste, was uns die DDR hinterlassen hat – die friedliche Revolution – nützlich oder schädlich?
Außerdem wird ein Bild West-Berlins zur Zeit der Mauer gezeichnet; und ich untersuche die Rolle der Alliierten und des Berliner Senats im „Kalten Krieg“, durchaus mit der Absicht, eine Lücke der Geschichtsschreibung, die für die Jahre nach 1961 besteht, zu schließen.
Schreiben Sie mir Ihre eigenen Erfahrungen und Ihre Meinung zum Thema meines Buches, das die Erlebnisse und Gedanken vieler Fluchthelfer in den 60er-Jahren zusammenfasst!