berliner abendblätter 2.00 am 7.1.

7.1.
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Reaktionen auf Strafbefehl gegen GALIDA
4. Januar 2011
Artikel in Tageszeitung Junge Welt vom 04.01.2011:
»Wir stehen ständig unter Druck, Geld aufzutreiben«
Eine Darmstädter Initiative protestierte gegen Westerwelles »spätrömische Dekadenz«. Die Justiz schlägt jetzt zurück. Gitta Düperthal im Gespräch mit Frank Gerfelder-Jung.
Frank Gerfelder-Jung ist einer der Sprecher der Gewerkschaftlichen Arbeitsloseninitiative Darmstadt
G.D.: Die Anklageschrift gegen Mitglieder der Gewerkschaftlichen Arbeitsloseninitiative Darmstadt (Galida) im Zusammenhang mit deren satirischer »Spätrömischen-Dekadenz-Aktion« beim FDP-Kreisverband Darmstadt ist auf der Homepage http://galida.wordpress.com/category/fdp-romer-aktion/ zu sehen. Dafür hat Galida prompt einen Strafbefehl erhalten. Warum soll es eigentlich verboten sein, die Anklageschrift zu publizieren?
F. G.: Nach Meinung der Staatsanwaltschaft verstößt das Veröffentlichen der Anklageschrift gegen Paragraph 353d des Strafgesetzbuches. Es handele sich dabei um »verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen«, heißt es dort. Nach diesem verstaubten und wenig genutzten Paragraphen macht sich strafbar, »wer eine Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens … ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind«.
G.D.: Warum hat man ausgerechnet diesen Paragraphen ausgegraben?
F. G.: Das zeigt vor allem eines: Die Staatsanwaltschaft scheut die Öffentlichkeit. Wir wollen diesen Prozeß gegen uns aber öffentlich machen und zeigen, mit welchen Mitteln die Staatsanwaltschaft arbeitet. Das will man offenbar unbedingt verhindern. Freilich braucht es jemanden, der die Veröffentlichung überhaupt anzeigt, damit der Staatsanwalt das strafrechtlich verfolgen kann. Und den hat man gefunden. FDP, Staatsschutz und Staatsanwaltschaft lesen offenbar eifrig unsere Seite und sind sich in diesem Punkt einig.
G. D.: Das Ganze kostet Sie knapp 400 Euro. Sie haben die Anklageschrift dennoch nicht von der Seite genommen – warum ist Ihnen diese Veröffentlichung soviel wert?
F. G.: Sie ist Teil unserer Öffentlichkeitsarbeit. So wollen wir für unseren Prozeß mobilisieren, der Ende Januar oder Anfang Februar stattfinden soll. Denn dann werden wir uns laut Anklage wegen »gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs« in den Räumen der Geschäftsstelle des FDP-Kreisverbands Darmstadt verantworten müssen, wo unsere satirische Aktion im März stattfand. Würden wir die Originale der Anklageschrift nicht auf unsere Seite stellen, wären wir zwar gefeit vor einer Verfolgung durch die Strafbehörden, würden aber unserem Anliegen nicht mehr gerecht. Wir wollen öffentlich machen, auf welche Weise gegen uns vorgegangen wird. Schon Kurt Tucholsky sagte: »Satire darf alles« – und das wollen wir auch in Darmstadt umsetzen.
G. D.: Ist Ihre Aktion nicht auch so schon bundesweit bekannt geworden?
F. G.: Schon, aber leider stehen wir ständig unter dem Druck, Geld auftreiben zu müssen, um Strafe zu zahlen. Lieber wäre es uns, wir könnten in Hinsicht auf unsere Picknick-Aktion, die wir als Römer verkleidet gemacht haben, straffrei bleiben. Aber nach diesem Strafbefehl ist es ziemlich unwahrscheinlich, daß die Richterin des Amtsgerichtes Milde walten lassen wird und sagt: »Vielleicht wurde hier das Hausrecht verletzt – aber das ist noch lange kein Grund, in dieser Weise gegen Galida vorzugehen.« Damit rechnen wir nicht. Entsprechend wird unser Karikieren des Ausspruchs von Guido Westerwelle, ufere die Hartz-IV-Mentalität aus, drohe Deutschland »spätrömische Dekadenz«, wohl ziemlich teuer werden.
Im Hinblick auf die FDP und deren Gesprächsbereitschaft ist wohl eher »Land unter« angesagt. Sie fürchtet schlechte Presse. Insofern werden wir wohl kaum auf Personen treffen, die sich damit auseinandersetzen wollen, wie erniedrigend man mit Hartz-Beziehern umgeht.
Aber ansonsten wird unsere Öffentlichkeitsarbeit bewirken, daß sich ein wachsender Personenkreis mit diesen Fragen beschäftigt: Was bedeutet Hartz IV? Was lösen Sprüche wie »spätrömische Dekadenz« aus? Welche Strategien fährt dieser Personenkreis von Westerwelle über Sarrazin bis zum ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch?
Spendenkonto, Bunte Hilfe Darmstadt, Stichwort: GALIDA, Konto: 11003354, Sparkasse Darmstadt, BLZ: 508 501 50.
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Westerwelle quatscht seine alljährliche Oper
Gestern war die Rede Westerwelles zum innerparteilichen Dreikönigstreffen der FDP, eine Veranstaltung, die auf die 1860er Jahre zurückgeht und Zeugnis ist dafür, dass Württemberg eine Wiege des Liberalismus in Deutschland ist. Die Rede, seine zehnte, fand wie üblich im im Opernhaus des Staatstheaters Stuttgart statt. Beim Heimspiel legte der Bundesvorsitzende gewohnte Verhaltensweisen an den Tag. Die Anwesenden waren es zufrieden. Werden es die Wähler der kommenden Landtagswahlen auch sein?
Die Süddeutsche schrieb:
„Die Rede war schlechter als sonst, sie blieb weit unter den Erwartungen. Sie war zu laut, zu lang, zu selbstgerecht, zu aufgeblasen, zu schönfärberisch, zu realitätsfern und zu altbacken. Sie war weit weg von den Problemen seiner Partei. Da stand nicht ein gestandener Parteivorsitzender, sondern ein Lautsprecher seiner selbst. Westerwelles Kraft reicht nicht mehr aus, um das Dreikönigstreffen der FDP, wie bisher fast immer, besoffen zu reden. Und sie reicht schon gleich gar nicht, um der Gesellschaft eine Vorstellung davon zu geben, was Liberalismus sein und warum sie diesen Liberalismus brauchen könnte“.
Quelle: Presseschau DLF
Die Umfrageninstitute prophezeien für die Landtagswahl in Baden-Württemberg im kommenden Frühjahr ein Kopf-an-Kopf-Rennen von grün-rot und schwarz-gelb, wobei der Einzug der Linken zugunsten der zweiten Koalition ausschlagen kann, wenn denn die FDP den Einzug in den Landtag schafft.
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Kommunen werden arm geduscht
„Begradigung der Ungenauigkeiten im alten System“
„Das Ringen um die Neuregelung der Hartz IV-Regelsätze geht weiter. Der aktuelle Regelsatz scheint aber eine Lücke zu enthalten: Empfänger können dadurch mehr Leistungen geltend machen als offenbar beabsichtigt.
Die schwarz-gelbe Hartz IV-Reform dürfte den Betroffenen doch noch mehr bringen als fünf Euro zusätzlich im Monat. Zwar hält die Regierung daran fest, den Regelsatz lediglich von 359 Euro auf 364 Euro zu erhöhen. Dafür aber können die Empfänger für ihr Warmwasser etwa drei Euro im Monat zusätzlich als Kosten der Unterkunft geltend machen, was bisher nicht möglich war.
Auf diesen Effekt, den die Regierung offenbar nicht beabsichtigt hatte, machte der Deutsche Landkreistag (DLT) aufmerksam. Demnach deckt der aktuelle Regelsatz noch die Aufwendungen für Warmwasser ab. Durch die Reform soll sich dies ändern. Der Posten wird laut Gesetzesentwurf künftig extra und oben drauf abgerechnet, über die Kosten der Unterkunft. Die Hartz IV-Empfänger erhalten daher nach den Plänen von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) – zusätzlich zum Aufschlag von fünf Euro beim Regelsatz – einen gesonderten Ausgleich für Warmwasser.
Die Mehrkosten allein für die Landkreise bezifferte der DLT auf 250 bis 400 Millionen Euro. Ein alleinlebender Erwachsener wendet für Warmwasser laut Einkommens- und Verbrauchsstichprobe im Schnitt 3,08 Euro im Monat auf. Früher, als Boiler und Durchlauferhitzer noch verbreitet waren, waren es deutlich mehr. Daher ging Warmwasser in den alten Regelsatz gar mit 6,47 Euro ein.
Das Arbeitsministerium bestätigte am Donnerstag die Umstellung, durch die Ausgaben für Warmwasser statt über den Regelsatz über die Kosten der Unterkunft abgegolten werden. Es widersprach aber der Vermutung, die Regierung habe bei der Neuberechnung die Warmwasserbereitung schlicht vergessen. „Das ist kein Rechenfehler, sondern die Begradigung der Ungenauigkeiten im alten System“, sagte ein Sprecher. Damit komme die Regierung dem Auftrag des Verfassungsgerichtes nach, die Kosten des Existenzminimums transparent und nicht willkürlich über Pauschalen zu berechnen.
Alles Absicht also? Dagegen spricht, dass die Koalition die negativen Folgen für die Kommunen nicht berücksichtigt hat. Denn für die wird die Umstellung teuer, so dass sie nun einen Ausgleich erhalten sollen. Den Regelsatz zahlt der Bund. Bei den Kosten der Unterkunft ist er nur mit einem Viertel dabei. Den Löwenanteil tragen Städte und Gemeinden. Wenn Warmwasser aber neu zu den Wohnkosten gezählt wird, steigen die Belastungen der Kommunen. (…)
Auf weitere Verbesserungen bei Hartz IV drängen auch SPD, Grüne und Linkspartei. Heute gehen die Verhandlungen darüber im Vermittlungsausschuss weiter.
FR vom 7.1.
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Greis fordert zur Empörung auf
Als gestern vor 70 Jahren Franz Hessel starb, war sein Sohn erst 23 Jahre alt. Er verstand es, über die Zeit sein Leben zu füllen. Seine Mutter Helen Grund, Übersetzerin der „Lolita“ ins Deutsche, gab die lebendige Vorlage zur Rolle Jeanne Moreaus in „Jules et Jim“. Nicht wie im Film erreichte sie im wirklichen Leben ein biblisches Alter. Weiteres zu dem Emigranten aus Berlin aus dem wikipedia-Artikel: „1924 zog die Familie nach Paris, seit 1939 ist Stephane Hessel französischer Staatsbürger.
Nachdem sich Hessel im Mai 1941 der französischen Résistance angeschlossen hatte, wurde er 1944 von der Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Im Konzentrationslager lernte er den Schriftsteller Eugen Kogon kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Hessel überlebte das Konzentrationslager nur, weil er die Identität eines bereits verstorbenen Gefangenen annahm, der unter seinem Namen dann verbrannt wurde. 1945 gelang ihm die Flucht aus dem Zug auf dem Weg nach Bergen-Belsen.[1]
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Hessel im Oktober 1945 Vertreter Frankreichs bei den Vereinten Nationen in New York und war im Dezember 1948 Mitunterzeichner der Charta der Menschenrechte der Vereinten Nationen. Anschließend bereiste er im Auftrag der UNO und des französischen Außenministeriums die Welt, trieb die Entkolonialisierung voran und vermittelte in Konflikten.
Entwicklungshilfe, Demokratie und Menschenrechte gehören zu den Themen, die Hessel besonders am Herzen liegen und für die er bis heute kämpft. 1962 gründete er in Frankreich die Vereinigung für die Ausbildung von afrikanischen und madagassischen Arbeitnehmern (Association de formation des travailleurs africains et malgaches, AFTAM), die sich für die Rechte von Afrikanern einsetzt, außerdem war er Mitglied der französischen Sektion der Nationalen Menschenrechtskommission.“
Nun rief der homme engagé zur friedlichen Revolte auf. Hessels Werk wurde am 20. Oktober 2010 in 8.000 Exemplaren vom kleinen südfranzösischen Verlag Indigene zum Preis von drei Euro veröffentlicht. Im Moment ist die 11. Auflage in Druck, „das macht 800.000 Exemplare!“, freut sich die Verlegerin Sylvie Crossman.
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Letztes Wort
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… („Hast du verstanden? Halte mich nicht zurück! Meine Zeit ist gekommen, ich muss sterben!“) [zu seiner Frau Anna, die er bat eine Stelle aus der Bibel vorzulesen, die er zufällig aufgeschlagen hatte: Matthäus 3,14-15: „… Und Jesus sprach zu Johannes: Halte mich nicht zurück…“]
Fjodor Michailowitsch Dostojewski, russischer Schriftsteller, 1881
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